Werder Bremen - Alemannia Aachen 3:2 (2:0)
Samstag, 29. Mai 2004, 20:00 Uhr
Bremen: Reinke - Stalteri, Ismael, Krstajic, Schulz (90. Skripnik) - Baumann, Ernst, Borowski (88. Charisteas), Micoud - Klasnic (87. Valdez), Ailton
Aachen: Straub - Landgraf (73. Fiél), Klitzpera, Mbwando - Blank, Paulus, Grlic - Brinkmann (83. van der Luer), Pflipsen (80. Gomez), Salou - Meijer
Tore: 1:0 Borowski (31.), 2:0 Klasnic (45.), 2:1 Blank (52.), 3:1 Borowski (84.), 3:2 Meijer (90.)
Gelbe Karten: Ismael - Klitzpera, Blank, Meijer
Rote Karte: Mbwando (76.)
Schiedsrichter: Herbert Fandel (Kyllburg)
Zuschauer: 72.000 im Olympiastadion (Berlin)
Der unwiderruflich letzte Tag einer Mannschaft, die ganz Bremen niemals vergessen wird. Am Abend wird im Olympiastadion, das in den nächsten Stunden seinen Ruf als "Deutsches Wembley" rechtfertigen wird, das DFB-Pokalfinale ausgetragen. Anders, als es die vermeintlich ungleiche Paarung zwischen dem souveränen Deutschen Meister und einem Zweitligisten vermuten lässt, wird es ein rasantes, tolles Fußballspiel mit Spannung, Kampf und wunderschön anzusehenden Toren. Vor allen aber wird es die Abrundung einer ohnehin schon beinaher übertrieben schönen Saison.
Die Aachener reisen frustriert an. Sie, die fünf Monate zuvor die 2. Bundesliga noch imposant beherrschten und als Herbstmeister ihrer Klasse ins Jahr 2004 starteten, hatten durch eine völlig uninspirierte Rückrunde am allerletzten Spieltag vor sechs Tagen noch den sicher geglaubten Aufstieg vergeigt. Doch an diesem lauen Mai-Abend ist von einer psychisch angeschlagenen Elf nichts zu sehen. Die Alemannia liefert Werder einen offenen Fight und hätte den Meister mit etwas mehr Glück richtig ärgern können, aber dieses Glück fehlt schließlich. Und so spielt Werder sein letztes Trumpf-Ass der Saison aus und bezwingt den Zweitligisten knapp, aber hochverdient mit 3:2.
Zum Matchwinner wird ein Werderaner, der vor Jahresfrist noch mit seinem Profi-Schicksal zu hadern schien: Tim Borowski zählte mit Sicherheit zu den talentiertesten Profis der letzten Jahre, aber er schien sportlich auf der Stelle zu treten und spielte nach einem rasanten Einstieg in die Bundesliga zuletzt nur noch selten. Doch Borowski, der in seinen glücklicheren Tagen von Teamchef Rudi Völler mit einer Berufung in die A-Nationalelf belohnt wurde, biss sich durch. In den letzten Wochen des Meisterschaftsrennens wurde er in Werders Mittelfeldraute zu einem der wichtigsten Akteure. Er zauberte beim 6:0 gegen den HSV, er bestach beim entscheidenen Sieg in München, und an diesem sommerlichen Abend in der Hauptstadt belohnt er sich selbst.
Nach umkämpftem Beginn mit Vorteilen für Werder bringt "Boro" Werder in Führung. Fabian Ernst, der in 209 Minuten seinen 25. Geburtstag und noch ein paar andere Dinge feiern wird, setzt sich auf der linken Seite fabelhaft durch, lässt einen Aachener Verteidiger auf der Torauslinie ganz alt aussehen und legt den Ball zurück, genau auf den Fuß von Borowski. Der lässt Torwart Straub mit einem Knaller in die Tormitte keine Chance: 1:0!
Als die Aachener langsam etwas stärker werden und die Halbzeitpause naht, schickt Frank Baumann, der an diesem Abend bärenstark spielt, den "Killer" Ivan Klasnic steil. Ivan zieht aus der Drehung mit links ab und fabriziert beinahe eine Kopie seines Treffers in Fürth zwei Pokalrunden zuvor. Sekunden vor der Halbzeit steht es 2:0 für den Topfavoriten. Die Werder-Anhängerschaft, die an diesem herrlichen Fußball-Abend gemeinsam mit den ebenfalls entfesselten Kollegen aus Aachen dafür sorgt, dass das Finale 2004 atmosphärisch zu den schönsten Endspielen überhaupt gerät, wähnt sich am Ziel. Aber nur kurz.
Wenige Minuten nach Wiederanpfiff wuchtet der Ex-Bremer Stefan Blank per Kopf den Ball in das Gehäuse von Andreas Reinke. Nur noch 2:1 - wieder Spannung! Von nun an wogt das Spiel hin und her, wird hitziger und härter. Krstajic liefert sich mit Eric Meijer kantige Zweikämpfe, Fabian Ernst gerät immer wieder mit Grlic aneinander, Micoud bekommt ordentlich was auf die Socken und Schiedsrichter Fandel hat gut zu tun. Also tut er und zieht Rot gegen den Aachener Mbwando, umstritten. Am Ende ist das fast egal, weil Werder einen Sieg einfährt, der so verdient ist, dass die Aachener nicht den Nerv haben, über einzelne Schiedsricher-Entscheidungen herumzulamentieren. Für die Entscheidung sorgt kurz vor dem Ende noch einmal Tim Borowski, der von Ivan Klasnic am Strafraum freigespielt wird und die gesamte Abwehr des Zweitligisten vernascht, indem er Torwart Straub austanzt und die übrigen Anwesenden zu Zuschauern degradiert, an denen vorbei die Kugel zum umjubelten 3:1 ins Aachener Tor fliegt. Werder hakt die Sache ab, Thomas Schaaf schenkt Victor Skripnik noch einen wunderschönen Abschiedsauftritt, und eigentlich paßt es auch zu diesem buten, stimmungsvollen Abend, dass die Aachener durch Meijer noch einmal verkürzen, was nicht weiter wehtut, weil Fandel das Spiel im selben Augenblick beendet.
Werder wird in der Bundeshauptstadt endgültig zur neuen Fußball-Hauptstadt Deutschlands.
Am Abend nach dem Triumph feiert Werder im noblen Hotel "Ritz Calton" Abschied von Ailton, Ivica Banovic, Markus Daun, Mladen Krstajic, Simon Rolfes, Victor Skripnik und Holger Wehlage. Banovic und Daun zieht es nach Nürnberg, Simon Rolfes zum heutigen Pokalsieger nach Aachen und Holger Wehlage zum MSV Duisburg. Ailton und Krstajic werden vom neuen Arbeitgeber Schalke schon in Kürze für das Unternehmen UI-Cup benötigt. Die Stimmung beim Abschlussbankett ist erfüllt von Dankbarkeit, Stolz und Wehmut. Jürgen L. Born trägt in seiner Ansprache dick auf, und alle Zuhörer finden: Das hat diese Mannschaft auch verdammt verdient, das Dickauftragen! Born sagt: "Mit der Meisterschaft habt ihr euch zu Helden gemacht. Mit dem Gewinn des Doubles seid ihr zu Göttern geworden!"